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Geschlechtergerechte Sprache – Wohinnen mit den -innen?

Geschlechtergerechte Sprache

Wohinnen mit den -innen?

Volker Gringmuth, 21. April 2009

(inspiriert von http://megpalffy.org/techdok/a00/a00.html)

„Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder ...“ begann die Vorsitzende ihre Ansprache. Nett von ihr, den Umstand, daß dem Verein auch Frauen angehören, extra zu betonen. Das wäre uns ansonsten bestimmt überhaupt nicht aufgefallen. Und jetzt die Preisfrage: Bei aller Nettigkeit – was ist daran trotzdem grammatisch falsch?

Es scheint viele Leute sehr zu verwirren, daß Genus (grammatisches Geschlecht) und Sexus (biologisches Geschlecht) von Begriffen keineswegs übereinstimmen müssen. Wenn eine junge Person ihre Eltern verloren hat, ist sie eine Waise, und wird sie gar als Druckmittel gefangengehalten, handelt es sich um eine Geisel. Auch dann, wenn sie Norbert heißt. Drei grammatisch weibliche Begriffe, die ebenso Männer wie Frauen bezeichnen können.

Zugegeben, damit ist der Vorrat an Beispielen in dieser Richtung auch schon fast erschöpft. Weitaus häufiger ist im Deutschen der umgekehrte Fall, daß mit einer grammatisch männlichen Bezeichnung biologisch männliche wie auch weibliche Personen gemeint sind. Damit möchte ich zunächst eines klarstellen: in dem Wort Lehrer sind lehrende Frauen keineswegs mitgemeint, wie man immer wieder liest. Das klingt nach einer herablassend-gnädigen Mit-Einbeziehung und ist natürlich Quatsch. Richtig ist, daß das Wort Lehrer in genau gleicher Weise männliche wie weibliche Vertreter dieses Berufs bezeichnet. Beide sind voll gemeint, keiner ist mitgemeint.

Die Bezeichnung der Lehrer heißt in Langform nämlich mitnichten der lehrende Mann, sondern der lehrende Mensch (was einen im englischen teacher ganz schön verblüffen kann, oder?). Daß so viele dieser Bezeichnungen grammatisch männlich sind, ist freilich unausgewogen, aber so hat sich die Sprache nun mal entwickelt: von Verben abgeleitete Aktiva auf -er sind grammatisch maskulin. Dennoch sind damit alle Menschen gemeint und nicht nur Männer, siehe oben.

Fassen wir zusammen: Eine Lehrerin ist zwingend eine Frau, ein Lehrer kann – wie die Geisel, genau – ein Mann oder eine Frau sein.

Heißt das nicht in letzter Konsequenz, daß alle Leute, die meinen, von Lehrerinnen und Lehrern sprechen zu müssen, eigentlich aussagen, daß sie Lehrerinnen nicht für Menschen halten?

Von der anderen Seite gesehen sind die Frauen sprachlich bevorzugt, denn sie haben eine Form für sich allein.

Naja, nicht ganz. Es gibt sogar eine grammatische Form, die ausschließlich einen biologisch männlichen Lehrer bezeichnet: der Lehrerich. Sagt kein Mensch, ich weiß. Ist sehr aus der Mode gekommen, die Endung, außer im nun gar nicht positiv besetzten Wüterich. Aber hast Du schon einmal von Verbrecherinnen gehört? Von Terroristinnen? Von Kinderschänderinnen? Oder auch nur von Verkehrssünderinnen, die ihren Führerinnenschein abgeben müssen? Beim Bösen hört die Geschlechtergerechtigkeit nämlich plötzlich auf. Da scheint auch den Innensagerinnen plötzlich klar zu werden, daß man den weiblichen Bezug nicht mehr extra herausstellen muß. Wäre hier ja auch peinlich.

Zurück zu den Lehrern. Gerecht und ausgewogen wäre also höchstens die Formulierung Lehrerinnen und Lehreriche. Oder vielleicht doch einfach Lehrer, ohne Iche und Innen? In Lehrerinnen und Lehrer jedenfalls kommen die Frauen zweimal vor (sofern man sie als Menschen betrachtet, was ich persönlich tue), Männer nur einmal, und das finde nun wieder ich als Mann ungerecht. Das sollte man in den Lehrerinnenzimmerinnen unseres Landes mal verbreiten!

Apropos Zimmerin: ich muß ja noch die Preisfrage vom Anfang auflösen. Wer von uns hat noch nicht über die Persiflage Kinderinnen und Kinder gelacht? Das ist natürlich Unsinn, ist uns allen klar, ein Kind kann ebensogut männlich wie weiblich sein und ist sogar grammatisch neutral: das Kind. Das Mitglied hingegen – ääh, Moment ...

Bild und Text © Volker Gringmuth


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