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Quatschgedicht

Dunkel war’s, der Mond schien helle ...

Viele werden dieses Quatschgedicht kennen. Mir ist es, soweit ich mich erinnere, in einem Lesebuch in der Grundschule erstmals begegnet und hat mich fasziniert: Logisch unvereinbare Paare von Attributen oder Adverbien ergeben eine sprachlich gefällige, aber inhaltlich unmögliche Gesamtheit.

Das Werk existiert in vielen unterschiedlichen Versionen, und auch an der verbreiteten „offiziellen“ Version sind einige teils erhebliche Mängel zu beklagen (willkürlicher Bruch des Reimschemas etc).

Der Autor ist mit Sicherheit nicht Lewis Carroll (diese Legende fußt wohl auf einer Verwechslung mit dessen Gedicht „Der Zipferlak“, das ähnlich beginnt) und auch nicht Christian Morgenstern (zu ihm würde es zwar teilweise passen, aber das Werk wurde bereits zu Morgensterns Lebzeiten als „volkstümlich“ bezeichnet).

Ich habe mir daher die Freiheit genommen, aus einigen verbreiteten Versionen sowie dem einen oder anderen Erguß meiner eigenen Phantasie mal „meine“ Fassung zu destillieren, die ich hier präsentiere.

Dank an die kreativen Mitleser der Newsgroup de.etc.sprache.deutsch für weitere Anmerkungen und Verbesserungen.

Redaktionelle Anmerkungen meinerseits finden sich unterhalb des Gedichtes.

Meine Fassung

Dunkel war’s, der Mond schien helle,
schneebedeckt die grüne Flur,
als ein Wagen blitzesschnelle
langsam um die Ecke fuhr.

Drinnen saßen stehend Leute,
schweigend ins Gespräch vertieft.
Der vergeblichen Jagd Beute
auf der Sandbank Schlittschuh lief.

Und ein Pferd in müdem Trabe
galoppiert’ den Berg hinauf.
Droben zog ein greiser Knabe
eine leere Sanduhr auf.

Und ein blondgelockter Bube
mit kohlrabenschwarzem Haar
saß in einer grünen Stube,
die rot angestrichen war.

Neben ihm ’ne alte Schrulle,
zählte kaum erst sechzehn Jahr’,
in der Hand ’ne Butterstulle,
die mit Schmalz bestrichen war.

Draußen auf dem Apfelbaume,
der versalz’ne Birnen trug,
hing des Frühlings letzte Pflaume
und an Nüssen noch genug.

Ringsherum brüllt’ tiefes Schweigen
Und mit fürchterlichem Krach
Spielten in des Grases Zweigen
Zwei Kamele lautlos Schach.

Und zwei Lahme sprangen munter
Durch das blaue Rapsfeld hin.
Schließlich ging die Sonne unter,
Und der helle Tag erschien.

Von der regennassen Piste
wirbelte der Staub empor.
Und der Junge bei der Hitze
mächtig an den Ohren fror.

Beide Hände in den Taschen,
hielt er sich die Ohren zu,
als am Eis er wollte naschen
und verbrannte sich im Nu.

Dieses traurige Geschehen
war so lustig wie noch nie,
doch nun heißt’s „Auf Wiedersehen“,
sei willkommen, o Marie!

Dies Gedicht sprach Herr von Goethe,
als still auf dem Klo er saß
und im Schein der Abendröte
morgens in der Zeitung las.

Redaktionelle Anmerkungen

Text bei mir Andere verbreitete Version Bemerkungen
Der vergeblichen Jagd Beute Als ein totgeschoss’ner Hase Der Hase ist zwar ein netter Einfall, aber erstens reimt er sich nicht auf die Leute, und zweitens habe ich so einen Witz zusätzlich drin. Den etwas unsauberen Reim „tieft – lief“ übersehen wir mal großzügig.
Und ein Pferd in müdem Trabe galoppiert’ den Berg hinauf Und ein Wagen fuhr im Trabe rückwärts einen Berg hinauf Meinen Widerspruch finde ich schöner und direkter.
Droben zog ein greiser Knabe Droben zog ein alter Rabe Der alte Rabe scheint mir etwas witzlos zu sein.
eine leere Sanduhr auf gerade eine Turmuhr auf Tja, wieder ein Widerspruch mehr. Daß ein Rabe üblicherweise keine Turmuhren aufzieht, entspricht nicht der Idee des Gedichts, denn unlogisch ist es nicht. Ursprünglich schrieb ich rost’ge Sanduhr, Jörg Schleicher hatte die bessere Idee mit „leere“ – besser deshalb, weil man das Umdrehen einer Sanduhr ja durchaus als Aufziehen deuten könnte.
Und ein blondgelockter Bube [...] saß in einer grünen Stube Und ein blondgelockter Junge [,,,] auf ’ne grüne Bank sich setzte Tja, bei mir reimt sich’s und verliert nichts.
der versalz’ne Birnen trug der sehr süße Birnen trug Daß Birnen sehr süß sind, hat nun wirklich keinen Witz. Oder ich verstehe ihn nicht. Meiner gefällt mir besser.
Ringsherum brüllt’ tiefes Schweigen Ringsherum herrscht tiefes Schweigen Warum auf den Witz verzichten? Und wenn man scharf nachgedacht, wird der Stroph’ die Zeit man richten: Präsens ist nicht angebracht.
Und zwei Lahme sprangen munter Und zwei Fische liefen munter Naja, geht so. Ich finde die Lahmen besser.
durch das blaue Rapsfeld hin durch das blaue Kornfeld hin Ein Kornfeld kann durchaus bläulich schimmern. Aber ein Rapsfeld?
Von der regennassen Piste Von der regennassen Straße Die Piste reimt sich etwas weniger grausam auf die Hitze. Aber eine wirklich gute Alternative ist mir noch nicht eingefallen, ohne den schönen Witz zu zerstören.
als am Eis er wollte naschen und verbrannte sich im Nu denn er konnte nicht ertragen, wie nach Veilchen roch die Kuh Was für ne Kuh? – Ich hatte die Strophe erst ganz neu gestaltet, aber den Anfang auf einen Hinweis von Jörg Schleicher wieder reingenommen.
Dieses traurige Geschehen [...] doch nun heißt’s „Auf Wiedersehen“ Diese traurige Geschichte [...] duch nun heißt es Abschied nehmen Was ist nochmal ein Reim?
Dies Gedicht sprach Herr von Goethe, als still auf dem Klo er saß Dies Gedicht schrieb Wolfgang Goethe, als er auf dem Nachttopf saß Soviel Zeit muß sein. Und wenn er es still sprach, kommt noch einer rein. Wie auch immer: Diese Strophe ist offenbar apokryph. Sie paßt vom Humor her schlecht zu den anderen.
morgens in der Zeitung las seine Morgenzeitung las Warum soll man eine Morgenzeitung nicht abends lesen? Ich habe den Witz mal wiederhergestellt.