Flugzeug abgestürzt, nur Blechschaden – Wie man alles schlimmer macht, als es ist
Volker Gringmuth, 22. Oktober 2008
Gerade nach schlimmen Katastrophen häufen sich in der Presse die Meldungen über Notlandungen und Abstürze von Flugzeugen. Natürlich, Boulevardzeitungen verkaufen sich nur über die Titelbalken, und der Schon-wieder!-Effekt zieht besonders gut, da nimmt man es mit den Fakten nicht immer so genau. Aber wenn ich dann auch in der seriösen Presse lese, ein Flugzeug sei „wie ein Stein vom Himmel“ gefallen (man muß nur mal auf diese abgenutzten, lächerlichen Vergleiche achten) und „wie durch ein Wunder“ sei niemand verletzt worden, weil die Notlandung „den Piloten geglückt“ sei (als wäre das so selten wie ein Sechser im Lotto), dann sträuben sich dem Flieger in mir doch die Nackenhaare: hat das sicherste Verkehrsmittel, das wir je entwickelt haben, so eine Presse verdient?
Oft kann man sich nur aus der dürftigen Meldung die Sachlage erschließen, und meist ist die Sache nur halb so schlimm. Das Luftrecht unterscheidet beispielsweise penibel zwischen Sicherheits- und Notlandungen; viele sogenannte Notlandungen sind gar keine. Hier mal eine kleine Anleitung:
Bemerkt ein Pilot während des Fluges, daß sich eine möglicherweise gefährliche Situation ergeben könnte, wenn er weiterflöge (man beachte die Konjunktive), dann kann er sich zu einer Landung entschließen, damit die mögliche Gefahr gar nicht erst eintritt. Er landet also sicherheitshalber. Und darum nennt man so etwas eine Sicherheitslandung. Beispiele: Schlechtes Wetter oder Nebelbank auf der Flugroute ohne Ausweichmöglichkeit. Oder auch Unsicherheit darüber, ob ich nach der Ölstandskontrolle den Deckel wirklich wieder draufgeschraubt habe. Kein Witz! Bevor mir das Öl durch den Motorraum spritzt, lande ich lieber kurz und sehe nach. Im Flug geht das halt schlecht.
Eine Sicherheitslandung muß übrigens nicht auf einem Flugplatz erfolgen (obwohl das natürlich am sichersten ist). Der Pilot kann (je nach Flugzeug) auch auf der nächstbesten Wiese landen, ohne daß daraus gleich eine Notlandung oder gar ein Absturz wird.
Im Bild rechts etwa fliege ich auf eine geschlossene Wolkendecke zu. So schön das auch aussieht: Ohne Funknavigations-Ausrüstung darf ich nur mit Erdsicht fliegen, ich muß also den Boden unter mir sehen. Entweder ändere ich den Kurs, oder ich mache eine Sicherheitslandung auf einem dieser hübschen Felder, damit ich unten bin, bevor es ganz zuzieht.
Eine Sicherheitslandung entspräche also im Straßenverkehr dem Rechts-ran-Fahren ohne Panne.
Liegt eine konkrete Gefahrsituation unausweichlich vor, die jede Fortsetzung des Fluges unmöglich macht, dann besteht Luftnotlage, die meistens zu einer Notlandung führt. Das ist aber immer noch keine Katastrophe! Auch mit ausgefallenem Triebwerk läßt sich ein Flugzeug noch normal steuern und landen, daher ist das Überleben einer Notlandung auch nicht zwingend auf wundersames Geschehen angewiesen. Es geht schlicht und einfach darum, so schnell wie möglich den sicheren Boden zu erreichen. Beispiele: Herzinfarkt des Piloten, Triebwerksausfall, Schaden am Flugzeug selbst.
Eine Notlandung entspräche also im Straßenverkehr dem Rechts-ran-Fahren wegen einer Panne.
Die schlimmste Art von Luftnotlage ist der Absturz, und darunter verstehe ich (unkonventionell, wie ich bin) ausschließlich das unkontrollierte Runterfallen eines flugunfähigen (sonst fiele es ja nicht) Flugzeuges. Das kann einklich nur aus zwei Gründen passieren:
Letzteres wird einem Laien nicht viel sagen, daher in aller Kürze etwas Aerodynamik:
Das Flugzeug ist dadurch flugfähig und steuerbar, daß an den Flächen von Flügeln und Rudern eine durchgehende Luftströmung anliegt. Dazu ist eine bestimmte Mindestgeschwindigkeit erforderlich, die durch die Beschleunigung beim Start erreicht wird. Unterhalb dieser Geschwindigkeit löst sich die umströmende Luft wieder von der Fläche, bevor sie hinten ankommt – die „Strömung reißt ab“, und das Flugzeug wird von der Luft nicht mehr getragen. Diese Abrißgeschwindigkeit liegt weit unterhalb der üblichen Fluggeschwindigkeit. Ein Flugzeug muß also schon viel zu langsam werden, um durch Strömungsabriß an den Flügeln runterzukippen: mit unseren Ultraleichtflugzeugen fliegen wir etwa 120–140 km/h schnell, die Abrißgeschwindigkeit liegt je nach Typ um 50–60 km/h. Da ist also noch viel Spielraum. Größere Flugzeuge haben dafür außerdem Systeme eingebaut, die schon vor dem Abriß den Piloten warnen.
Lesen Sie bei der nächsten Meldung eines Flugzeugabsturzes mal nach, was einklich passiert ist. Und überlegen Sie sich, ob Sie sich noch in ein Auto setzen würden, wenn über Autopannen ebenso berichtet würde wie über Flugzeug-Notlandungen.
Bild und Text © Volker Gringmuth
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