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Was mein Leben am Laufen hält

Ich weiß, dass man genug Gründe finden kann, sich vom Christentum voll und ganz abzuwenden. Da ist die Vergangenheit der Kirche. Zwangs-Christianisierung ganzer Völker. Hexenverfolgung. Geldmacherei mit dem schlechten Gewissen der Gläubigen. Anhäufung von Schätzen auf Kosten der Armen. Loyalität gegenüber gewissenlosen Herrschern. Argumente gegen die Kirche lassen sich mehr als genug finden.

Ich weiß aber auch, warum ich Christ bin. Und seitdem weiß ich auch, dass Kirche und Christentum nicht immer dasselbe sind. Jedenfalls hat das, was sich die Kirche in ihrer Geschichte schon so geleistet hat (Auswahl siehe oben), nicht das Geringste mit dem Gott zu tun, den ich kennengelernt habe.

Es war eine christliche Jugendgruppe, die meinem Leben einen radikalen Knick verpasste - aber ich erzähle lieber der Reihe nach.

Da war ich so 15, 16, und im Begriff, völlig in meinem eigenen Mief zu versumpfen, weil die gesamte Welt um mich herum mich nicht mehr im Geringsten interessierte. Keiner schien etwas mit mir zu tun haben zu wollen. Ich war ein Fremdkörper. Sicher, das war meine persönliche Sichtweise, in die ich mich hineingesteigert hatte. Aber so sah nun einmal meine Sicht der Dinge aus. Und mit der Zeit wurde ich so unausstehlich (glaube ich), dass wirklich keiner etwas mit mir zu tun haben wollte - in meinen Augen jedenfalls. Bis auf die, die eben mussten.

Und bis auf einen, der mich jede Woche in eine christliche Jugendgruppe im Nachbarstädtchen abschleppte. Ich weiß bis heute nicht, ob er mich gemocht hat oder durch sanften Druck dazu gebracht worden war.

Ich fühlte mich auch da nicht besonders zu Hause - die lebten alle in einer anderen Welt als ich. Ich mochte mich nicht allzu sehr auf sie einlassen.

Aber umgekehrt war das komischerweise der Fall. Die wollten sich auf mich einlassen. Ich merkte das aber nicht, denn dass sich jemand für mich interessierte, lag für mich total außerhalb des Denkbaren.

Dabei war das Christsein an sich nichts Fremdes für mich. Meine Eltern waren gläubig, bei uns zu Hause wurde in der Bibel gelesen, gebetet und all das. Ja, aber dann war ich doch schon immer Christ, oder?

Quatsch mit Soße. Keiner wird als Christ geboren. Und keiner wird zum Christen erzogen. Und schon gar nicht als kleines Kind durch eine Taufe oder was auch immer zum Christen gemacht. Ein Christ ist ein Mensch, der aus seiner eigenen Entscheidung heraus sein Leben dem Gott der Bibel zur Verfügung stellt.

Ich wusste das sogar, meine Eltern hatten mir das gesagt. Aber genau das verwirrte mich total. War ich nun ein Christ, weil ich doch ab und zu betete und in der Bibel las, oder fehlte mir noch etwas? Irgendwas Entscheidendes?

Im Kopf wusste ich alles. Dass man sein Leben bewusst Gott zur Verfügung stellen musste, ihm seine Fehler bekennen und ihn um Vergebung bitten. Und all das. Diese Rituale habe ich "erledigt", still für mich. Keine Wirkung. Aber ich war doch nun ein Christ, oder? Doch nicht? Aber ich hatte doch alles abgehakt, was man tun musste?

Nein, da fehlte mir noch etwas. Es wurde mir immer dann klar, wenn ich mit Leuten zusammen war, von denen ich wusste, dass sie Christen waren. Die hatten etwas, das ich nicht hatte. Aber ich hatte keine Ahnung, was. Und fragen wollte ich nun wirklich nicht. Wahrscheinlich, weil ich Angst vor der richtigen Antwort hatte.

Ich war immer noch allein, weil es mir so gefiel, und ich erlaubte keinem Menschen, mir zu nahe zu kommen. Und schon gar keinem Gott.

Aber genau das war es, das mir fehlte. Das ging mir irgendwann in einer ganz normalen Predigt auf: Gott hat überhaupt kein Interesse daran, dass ich Rituale erfüllte, sei es das Sündenbekenntnis oder bestimmte Gebete oder regelmäßiges Bibellesen oder meinen Eltern gehorchen oder was auch immer.

Nein, viel mehr und ganz anders: Gott hat mich lieb. Er will mich selbst haben.

Und ich habe mich darauf eingelassen. Ich liebe ihn. Seitdem ergibt das alles einen Sinn...

? Wo bitteschön ergibt denn das einen Sinn?

? Kapier ich nicht - warum konntest du nicht allein für dich Christ sein?